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Meldung

2025 wird Nürnberg Chormetropole

Dez 6, 2024

2025 wird Nürnberg Chormetropole: Vom 29. Mai bis zum 1. Juni versammeln sich hier 12.000 Vokalmusikbegeisterte, um gemeinsam das Deutsche Chorfest zu feiern

Stimmen der Vielfalt

Von H. Schwarz und S. van Lente

Das Deutsche Chorfest in Nürnberg ist ein besonderes Ereignis – nicht nur für die teilnehmenden Chöre, auch für die Stadt und die Region. «Es ist eine Freude, dass nach über 100 Jahren wieder ein solches Chorfest nach Nürnberg kommt! Eine großartige Sache, auch für die gesamte regionale Chorszene», betont Friedhelm Brusniak, Präsident des Fränkischen Sängerbunds (FSB), der als Partner für die Ausrichtung des Deutschen Chorfests an der Seite des Deutschen Chorverbands (DCV) steht.

Vielfalt im Fokus

Über 400 Chöre werden beim Chorfest in Nürnberg dabei sein. Die Teilnahme steht allen Chören und Vokalensembles offen, unabhängig von ihrem Genre, ihrer Besetzung oder ihrer Leistungsstufe. Das Motto beim Chorfest 2025 lautet «Stimmen der Vielfalt», damit liegt der Fokus in allen Programmteilen explizit auf der Vielfalt der Chorformationen, Konzertformate und musikalischen Begegnungen. Das Künstlerische Leitungstrio, bestehend aus Claudia Burghard, Gerald Fink und Bernhard Schmidt, wird das Motto auch in den kuratierten Konzerten umsetzen. «Ich habe den Eindruck und die Hoffnung, dass das Chorfest und der Weg dorthin nicht nur einen Umbruch darstellen, sondern auch einen Aufbruch. Und der gelingt über Vielfalt“, ist sich Gerald Fink sicher.

Auch FSB-Präsident Friedhelm Brusniak freut sich über das Chorfest-Motto: «Ich erwarte mir dadurch einen starken Impuls. Wir wollen das Selbstbewusstsein aller Sängerinnen und Sänger in allen Altersstufen und sozialen Schichten stärken, unabhängig von Herkunft oder Geschlecht. Für uns als Fränkischer Sängerbund ist das Chorfest außerdem eine große Chance zu zeigen, wie vielfältig unsere Chöre sind – seien es queere Chöre, Kinder- oder Jugendchöre, gemischte Chöre, Frauen- und Männerchöre oder ganz andere Singgemeinschaften.»

Ein zentrales Anliegen des Deutschen Chorfests ist es auch, dem sängerischen Nachwuchs eine Plattform zu geben. Beim letzten Chorfest 2022 in Leipzig lag der Schwerpunkt im Programm deshalb auf den Kinder- und Jugendchören. In Nürnberg wird dieses Thema erneut eine wichtige Rolle spielen: So wird es ein Familiensingen mit den Carusos geben, die Deutsche Chorjugend wird mit besonderen Aktionen vertreten sein und zahlreiche Kinder- und Jugendchöre beteiligen sich am Chorfest-Wettbewerb. Zudem organisiert der Fränkische Sängerbund innerhalb des Festivals ein Schulchorforum, bei dem etwa 700 Schüler:innen zusammenkommen, um die vielfältige Chorwelt in Workshops und Konzerten zu entdecken.

Vom Sängerfest zum Chorfest

Im Hinblick auf die lange Tradition der Sängerfeste, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, ist die Positionierung und Wahrnehmung des Deutschen Chorfests als offenes, buntes «Festival für alle» eine verhältnismäßig neue Entwicklung. Das Bild der Sängerfeste war auch nach dem Krieg von den Jahren ab 1933 geprägt, in denen große Gruppen singender Menschen als Teil der Nazi-Propagandamaschine politisch instrumentalisiert wurden. Dass bis 1968 bei den Sängerbundesfesten des Deutschen Sängerbunds (DSB) noch feierliche Fackelmärsche zu erleben waren, war ihrem Image nicht zuträglich. Mit der Zeit rückte jedoch der musikalische Aspekt immer weiter in den Vordergrund, und auch neue Veranstaltungen des Deutschen Allgemeinen Sängerbunds (DAS) und des internationalen Zusammenschlusses der Arbeitersänger (IDOCO) gaben Impulse für die Weiterentwicklung der traditionellen Sängerfeste. Spätestens seit dem ersten Deutschen Chorfest des DCV 2008 in Bremen, bei dem sich die Presse unter anderem begeistert zeigte von der «Faszinierenden Vielfalt der Chorliteratur» (Weser-Kurier), erinnert fast nichts mehr an die alten Sängerbundesfeste. Dass das Deutsche Chorfest 2025 nun zum ersten Mal offiziell unter dem Motto «Stimmen der Vielfalt» steht, markiert einen besonderen Höhepunkt. Verschiedene Formate des Chorfest-Programms werden sich mit chormusikalischer Erinnerungskultur beschäftigen und die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit Geschichte, Verantwortung und Zukunftsgestaltung bieten.

Zwischen Tradition und Zukunft

Auch die Stadt Nürnberg hat eine bewegte Vergangenheit. Das Chorfest sei eine Chance, die Geschichte aufzuarbeiten und den Blick zugleich nach vorn zu richten, findet Gerald Fink, der als Bundeschorleiter beim FSB auch eine enge Verbindung zur Region hat. «Nürnberg ist ja eine sehr vielfältige Stadt, die irgendwie mehrere Seiten hat. Einerseits gilt sie natürlich als sehr geschichtsträchtige Stadt, zum Beispiel der Meistersinger oder der Nürnberger Burg, andererseits ist sie natürlich auch eine Stadt mit schwierigen Phasen der deutschen Geschichte im Dritten Reich. Aber sie ist auch schon lange die Stadt der Menschrechte – dieses Gesicht wollen wir nun beim Chorfest zeigen!»

Dem Spannungsfeld zwischen Tradition, Vergangenheit und Zukunft wolle man beim Chorfest unter anderem mit einer großen Vielfalt an Veranstaltungsorten begegnen, so Fink. «Wir haben neben klassischen Orten wie dem Hauptmarkt oder der Sebalduskirche bewusst ‹kontaminierte› Orte ausgewählt, zum Beispiel auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände. Es ist uns wichtig, diese Räume auch im Rahmen des Chorfests nicht einfach auszusparen, sondern mit menschenzugewandten Inhalten und Musik zu füllen.»

Fest der Begegnungen

Ebenso vielfältig wie die teilnehmenden Chöre und die Veranstaltungsorte sind auch die Chorfest-Konzerte: Allein im Tagesprogramm finden über 600 kostenfreie, etwa 20-minütige Konzerte aller Stilrichtungen statt. Die mitwirkenden Chöre sind eingeladen, sich gegenseitig zuzuhören, sich auszutauschen und, auf und neben den Bühnen, zusammen zu musizieren.

Und auch bei den Chorfest-Plus-Konzerten an den Abenden ist der Begegnungsgedanke zentral: «Vielfalt bedeutet für mich vor allem Begegnung und Vernetzung», sagt Fink. «Das haben wir zum Beispiel in den kuratierten Konzerten, in denen wir immer eine doppelte Chorbesetzung haben, sich also zwei verschiedene Chöre ergänzen oder kontrastieren. Mir ist kein Festival bekannt, das diese Doppelbesetzung durchgängig als Konzeptidee durchgeführt hat. Und wir sind auf das Ergebnis sehr gespannt!»

Neben vielen weiteren werden in den Chorfest-Plus-Konzerten Ensembles wie der Chor des Bayerischen Rundfunks mit dem Landesjugendchor Bayern, die Humanophones mit dem Frauenensemble Encantada oder der Windsbacher Knabenchor mit dem Mädchenchor der Regensburger Domspatzen gemeinsam auf der Bühne stehen. In einigen Konzerten kann das Publikum innovative Performances, Bewegung im Raum oder die Verschmelzung von menschlichen Stimmen mit digitaler Technik erleben. Bei der «Langen Nacht der Chöre» und der Aufführung von John Taveners «The Veil of the Temple» können Chöre und Publikum außerdem die Chorfest-Nacht zum Tage machen.

Das Programm werde auch über das Chorfest hinaus einen wichtigen Beitrag für die Szene leisten, meint Friedhelm Brusniak: «Solch eine Bandbreite von der alten Musik bis hin zur aktuellen Uraufführung zu bieten, kann die Chorkultur als lebendigen Beitrag zur Musikkultur in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen.»

Gerald Fink erhofft sich darüber hinaus vom Nürnberger Chorfest vor allem, «dass die Menschen mit einigen Vorurteilen weniger und einigen neuen Begegnungen mehr heimgehen.»

«Aus Chorzeit – das Vokalmagazin Nr. 121, Dezember 2024, mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen und des Verlags».

Hier kann der Artikel heruntergeladen werden (PDF).