Seite wählen

Meldung

Interview zum Chorseminar: Spiritual und mehr …

Jul 2, 2024

Da gibt’s was zu entdecken! Komponistinnen und ihre Chorwerke

von Uta Walther

Als Einstimmung auf das Chorseminar für gemischte Stimmen „Spirituals und mehr“ vom 18. – 20. Oktober 2024 im BegegnungsCentrum Mission EineWelt Neuendettelsau führte Uta Walther (U.W.) ein Interview mit der Chorleiterin und Musikwissenschaftlerin Mary Ellen Kitchens (M.E.K., BR-Archiv München, Archiv Frau und Musik Frankfurt (www.archiv-frau-musik.de/vorstand-iak-frau-und-musik-2)  und der Spiritual- und Soulfolk-Sängerin/-Songwriterin und Arrangeurin Lea Morris ( L.M., www.thisislea.com, siehe auch S. 6 & 7 der „in/takt“-Ausgabe 3/2024)

Uta Walther: Herzlich willkommen, Mary Ellen und Lea! Wir freuen uns sehr auf das Chorseminar mit Euch! Und selbstverständlich sind wir schon neugierig und gespannt auf das gemeinsame musikalische Arbeiten.

Lea, bitte erzähle uns ein wenig über Dich und Deine musikalischen Aktivitäten.

Lea Morris: Ich freue mich auf das Chorseminar und vor allem auf das Zusammensingen. Ich bin mit a cappella-Harmonien aufgewachsen. Meine Mutter und ihre Geschwister waren die Jones Family Gospel Singers. Keine/r hat Noten gelesen. Keine/r war gelehrte/r Musiker/in. Trotzdem war da so ein herrlicher, tiefgehender Klang. Ich bin die einzige in meiner Generation, die weiter Musik gemacht hat. Zwanzig Jahre lang war ich reine Liedermacherin, und 2020 ging ich zurück zu den Wurzeln: Da habe ich in Braunschweig einen Chor gegründet, war außerdem viel in Amerika und Großbritannien unterwegs und habe Community-Chören meine Lieder beigebracht.

U.W.: Mary Ellen, unsere Seminar-Teilnehmenden interessiert sehr, welche Erfahrungen Du mit Laienchören und -ensembles hast. Mit welchen Altersklassen welcher Levels musizierst Du regelmäßig? Welches Repertoire singen Deine Chöre und Ensembles?

Mary Ellen Kitchens: Langjährig leite ich die Munich International Choral Society (MICS), die ursprünglich German-American Choral Society hieß, und 2005 gründete ich den Regenbogenchor München, einen LGBTQI*- and Friends-Chor, den ich bis heute auch leite. Beide Gruppen sind ambitionierte Laienensembles gemischten Alters, insbesondere der Regenbogenchor hat sich in letzter Zeit verjüngt. Für beide meiner Chöre plane ich diversitätsbewusst. Wir konnten viele neue Werke und unbekanntere Komponierende kennenlernen und diese durch unsere Auftritte hörbar machen. Ein Schwerpunkt meiner Repertoireplanung liegt bei Werken von Komponistinnen, in der Regel bestehen unsere Programme zu ca. 50% aus Werken „von Frauenhand“. Über die Zeit sangen wir Kompositionen in ganz vielfältigen Sprachen, u.a. auch in isländisch (Anna Thorwaldsdottir) und ukrainisch (Hanna Havrylets).

 U.W.: Unser Seminar steht unter dem Motto „Spirituals und mehr – Werke afroamerikanischer Komponistinnen kennenlernen“. Mary Ellen, welche Afroamerikanerinnen haben zu welcher Zeit Chorwerke geschrieben? Nennst Du uns bitte einige der bedeutendsten?

M.E.K: Es gibt eine sehr reiche Tradition der afroamerikanischen Komponistinnen, die Spirituals und Werke weiterer Gattungen für Chor wie auch für Sologesang mit Klavierbegleitung geschrieben bzw. arrangiert haben bzw. heute schreiben. Hier nenne ich gerne ein paar Namen, doch könnte eine längere Liste ausgegeben werden: Florence Price (1887-1953), Undine Smith Moore (1904-1989), Margaret Bonds (1913-1976) und Julia Perry (1924-1979). Heute arbeiten u.v.a. Rosephanye Powell, Ysaye Barnwell, Melanie DeMore und Lea Morris – neben ihren Werken für andere Musikgattungen – in diesem Bereich.    

U.W.: Lea, in welcher Tradition oder Traditionslinie würdest Du Dich selbst sehen bzw. einordnen? Wer sind oder waren Deine Vorbilder? Gibt es bestimmte Inspirationsquellen für Deine Musik?

L.M.: Wie gesagt, bin ich viel vom Gospel geprägt worden. Aber seit meiner Kindheit habe ich auch Pop, Jazz, Klassik, Bluegrass…  – jede Menge verschiedene Stile entdeckt und bestimmt irgendwie integriert in meine Kompositionen. Meine ersten und wichtigsten Vorbilder waren meine Eltern – meine Mutter hat in der Kirche gesungen. Mein Vater hat tatsächlich Musik studiert und war lange Zeit Trompeter in einer Soul Band namens „Black Heat“.

U.W.: Speziell für unser Chorwochenende stellt sich nun die spannende Frage: Welche Werke werden wir in Neuendettelsau erarbeiten und im Gottesdienst aufführen?

M.E.K.: Die endgültige Auswahl der Stücke wird von der finalen Besetzung des Chorseminar-Chors abhängen. Es sollen auf alle Fälle Werke von vier, fünf unterschiedlichen Komponistinnen sein, auch um die historischen Entwicklungen in diesem Bereich aufzuzeigen. Von Undine Smith Moore werden auf alle Fälle „We Shall Walk through the Valley“ und „Oh that Bleeding Lamb“ gesungen, von Melanie DeMore „Blessed Be“. Voraussichtlich werden auch Florence Prices „Praise the Lord“ sowie Margaret Bonds “St. Francis’ Prayer” gesungen.

L.M.: Wahrscheinlich werden wir mit dem „Four Spiritual Medley“ anfangen – eine Sammlung von Liedern, die ich als Kind von meiner Mutter gelernt habe. Dann werden wir meine Songs „Heart Wide Open“ und „Be the Light“ singen.

U.W.: Welche sängerischen Voraussetzungen, Erfahrungen und Vorkenntnisse sollten die Teilnehmenden möglichst mitbringen?

M.E.K.: Teilnehmende sollten Notenkenntnisse und etwas Chorerfahrung mitbringen. Die Lieder werden in englischer Sprache gesungen, so dass ein recht sicherer Umgang mit Englisch hilfreich ist.

L.M.: … Lust, Freude und Neugier … Singen kann jeder Mensch, der sprechen kann und es ist mir eine besondere Freude mit Leuten zusammen zu singen, die irgendwann vom Singen abgeschreckt wurden – meistens als Kind. Ihnen das Geschenk dieser Freiheit und das Glück am Singen wieder zu bringen, ist eine Riesen-Ehre. Natürlich, wenn Leute erfahren sind, können sie auch die anderen unterstützen und den Klang reichlich ergänzen. Mein Ansatz ist so ungefähr „every voice matters“.

U.W.: Werden die Sängerinnen und Sänger vor dem Seminar die Noten der Werke und evtl. auch Audios bzw. Aufnahmen bekommen?

M.E.K.: Ja, es wird möglich sein, den Teilnehmenden ein Notenpaket sowie auch Links zu Aufnahmen vorab zukommen zu lassen.

L.M.: Ich würde meine Lieder sehr gern ohne Noten arbeiten. Erstens verschwindet damit diese künstliche Grenze zwischen uns allen. Zweitens ist weniger Versuchung, die ganze Zeit auf das Papier zu schauen – statt aufeinander zuzugehen. Natürlich klappt das bei längerer und komplizierterer Musik gar nicht, aber die Songs, die ich bringe, werden genau dafür geeignet sein.

Herzlichen Dank für Eure Antworten! Wir freuen uns auf viele interessierte Choristinnen und Choristen sowie auf das gemeinsame Musizieren und Zusammensein an diesem Wochenende!